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Mit Personas und Journey Maps fundierte Entscheidungen treffen und Requirements priorisieren

5. Oktober 2022 | User Experience, User Research, UX Strategy

Lesedauer: 6 Minuten

Research-basierte Personas und die daraus entstandenen User/Customer Journeys vereinfachen die Requirements- sowie Produktentwicklung enorm, da sie bei der Identifikation von Optimierungspotenzial helfen. Dies wiederum hilft fundierte Entscheidungen über Produktfunktionen, Interaktionen und Navigationswege zu treffen sowie die Priorisierung der Funktionen zu erleichtern.

Oft herrschen innerhalb eines Teams und Unternehmens sehr viele unterschiedliche Meinungen, wer die Nutzer*innen oder Kund*innen sind und welche Wünsche, Bedarfe, Fragen und Ziele diese haben. In der Folge wird relativ schwammig vom “User” oder den “Nutzer*innen” gesprochen. Diese “User” sind jedoch sehr formbar und können sich den Meinungen und Vorannahmen der jeweiligen Person, die gerade über den/die “User” spricht, perfekt anpassen. Alan Cooper, der „Erfinder“ von Personas nannte dieses Phänomen „The elastic user“.

Abb. 1: “The elastic user” von Alan Cooper in About Face 3. Passt sich perfekt an das jeweilige Produktteam an.

Statt aus der Perspektive der Nutzer*innen wird somit anhand von Meinungen und Annahmen oder gar aus der Perspektive der Technik entschieden und priorisiert, welche Funktionen geplant werden oder welche Features wann umgesetzt werden.

Die Folge sind Systeme, die an den Nutzer*innen vorbei entwickelt und eventuell überladen sind, keinen echten Mehrwert bieten, dem Wettbewerb nicht weiter standhalten oder nichts Neues im Sinne einer Innovation bereitstellen.

Eine Lösung bieten hier research-basierte Personas. Research-basierte Personas können als Ausgangspunkt für Journey Maps dienen, welche wiederum das Optimierungs- sowie Innovationspotenzial von Produkten und Services offenlegen. So werden die Requirements- sowie Produktentwicklung und die Priorisierungen von Funktionen enorm erleichtert und basieren auf fundierten Entscheidungen statt auf Meinungen.

Was sind Personas?

Personas sind prototypische Beschreibungen von repräsentativen Nutzer*innen. Sie werden basierend auf qualitativen Interviews und ggf kontextbezogenen Beobachtungen erstellt. Kurz gesagt, sind Personas eine Möglichkeit, User Research Ergebnisse zusammenzufassen. Sie sind weder echte Menschen noch ein „durchschnittlicher“ Benutzer oder sollten gar auf Stereotypen basieren. Sie sind Benutzermodelle.

Persona Profil Beispiel

Abb. 2: So könnte ein Persona Profil aussehen: Die Persona hat einen Namen, Ziele, Präferenzen, Bedenken und Fragen

Aber was heißt das überhaupt – „Modell“ ? George Box, ein bekannter Statistiker hat dies einmal in seinem bekannten Spruch „All models are wrong, but some are useful“  auf den Punkt gebracht. Burnham und Anderson (2002) erklärten Modelle als „ (….) eine Vereinfachung oder Annäherung an die  der Realität (…) sie spiegeln daher nicht die gesamte Realität wider.“ Kurz gesagt, werden Modelle verwendet, um komplexe Dinge  wie beispielsweise Hirnforschung , das Universum oder U-Bahnpläne  mit einer nützlichen Abstraktion darzustellen.

Personas sind Benutzermodelle

Warum legen wir hier so viel Wert darauf? Wir sind der Überzeugung, es ist sehr wichtig zu verdeutlichen, dass Personas als Modelle gesehen werden, denn dies bedeutet, dass wir uns jederzeit bewusst sind, dass sie nicht zu 100% die Realität widerspiegeln, sondern eine Abstraktion dieser komplexen Realität sind. Sie sind als Werkzeuge zu sehen, um Forschungsergebnisse zu kommunizieren und helfen für ein geteiltes Verständnis dieser Ergebnisse im Team bzw. im Unternehmen.

Diese Abstraktion führt zu der Frage: Warum verwenden wir Modelle und nutzen nicht einfach die Realität?

Der U-Bahn-Plan der BVG ist ein hervorragendes Beispiel für ein Modell. Der Plan enthält die wichtigsten Informationen, um an das gewünschte Ziel zu gelangen: eindeutige Namen und Farben für jede Linie, die Reihenfolge der Stationen auf jeder Linie, die Umsteigebahnhöfe zwischen den Linien usw. Aber die für uns als Fahrgäste weniger wichtigen Details  – wie z. B. die Tiefe der einzelnen Tunnel, die genaue Entfernung zwischen den Stationen werden ignoriert. Eine Tiefbaufirma z.B. benötigt hierzu andere Modelle, da sie etwas anderes tun möchte als einfach von A nach B zu fahren. Für uns als Fahrgäste wäre ein solches Detailgrad im Plan nicht nötig, es könnte sehr wahrscheinlich sogar die Lesbarkeit für uns enorm erschweren und den Plan für uns unverständlich machen.

Abb.3: Ein Modell des BVG U-Bahn Netzes mit sinnvollen Abstraktionen der Realität

Auch Modelle des Universums erklären nicht, wie das Universum in der „Realität“ funktioniert, aber sie machen das Konzept für nicht-Astrophysiker greifbar und ersparen uns Fachjournals zu wälzen, um ein Verständnis über das Themengebiet zu bekommen.

Genauso kann Nutzer*innenforschung verwendet werden, um beschreibende Modelle der Nutzer*innen zu erstellen. Diese Modelle helfen, die Komplexität der Interviewdaten auf eine besser verständliche Weise in das Team zu kommunizieren. Modelle zeigen die Funktionsweise von Dingen in einer konsumierbaren Form, die zugänglich und leicht zu kommunizieren sind. Es ist einfacher, einige wenige Personas zu kommunizieren, als alle ethnographischen Reporte zu lesen.

Personas informieren den IST Zustand einer User- oder Customer Journey

Anhand der research-basierten Personas bekommt man Einblicke in die Fragen, Bedürfnisse und Bedenken, aber auch in typische Nutzungsszenarien. Aus diesen Informationen ist es möglich, einen IST-Zustand der Customer Journey abzuleiten – mit all ihren positiven und auch negativen Erfahrungen – den Pain Points. Diese Pain Points sind genau das, was von großem Interesse ist – denn hier steckt das Potenzial für Optimierungen und Neuerungen.

Was sind Journey Maps?

Eine Journey Map ist eine Darstellung aller Interaktionspunkte (oder: Touchpoints) zwischen Ihren Nutzer*innen/Kund*innen (repräsentiert durch die Personas) und Ihrem Produkt bzw. Dienstleistung. Journey Maps repräsentieren somit die momentane Nutzer*innenerfahrung und eignen sich hervorragend, um Optimierungspotenzial aufzudecken. Durch die auf den Interviewdaten basierenden Personas werden die jeweiligen Interaktionspunkte / Touchpoints ermittelt. Anschließend wird pro Touchpoint der Ist-Zustand der Nutzererfahrung auf diesen Touchpoints “gemappt”. Dies können positive als auch negative Erfahrungen wie Sorgen, Ängste, Fragen oder Bedenken sein, die aus Interviews ersichtlich wurden. Anhand dieses Mappings wird sichtbar, wo die Optimierungspotenziale stecken: Oftmals genau in  den „Lücken“ einer positiven Nutzererfahrung.

All dies wird in einer Übersicht zusammengefasst, so dass klar wird, wo genau der größte Optmierungsbedarf besteht.

beispiel eoner Journey Map

Abb. 4: Ein Beispiel, wie eine User/Customer Journey Map aussehen kann

Diese Darlegung der Nutzererfahrung mit dem Produkt/der Dienstleistung stellt dann einen wertvollen Ausgangspunkt für die folgende Ideenphase (Future Scenarios/ Maps) sowie für die Priorisierung der Funktionen und die weitere Produktentwicklung dar.

Fazit:

Research-basierte Personas und die daraus resultierenden Journey Maps sind hervorragende Werkzeuge, um anschließend fundierte Ideen zur Ausschöpfung der Optimierungspotentiale zu entwickeln. Dies wiederum bildet eine solide Basis für eine an Nutzer*innen ausgerichtete und priorisierte Requirement – und Produktentwicklung, denn mit einem abteilungsübergreifenden Verständnis über Ihre Nutzer*innen und Kund*innen stellen Sie sicher, dass das ganze Team ein gemeinsames Verständnis der Nutzer*innen und deren Ziele und Bedürfnisse hat und treffen fundierte Entscheidungen darüber, was wann umgesetzt werden soll und verringern somit Ihr Kostenrisiko in einem  Neu- oder Umgestaltungsprozess.

Quellen

  • Alan Cooper , Robert Reimann , Dave Cronin, About face 3: the essentials of interaction design, John Wiley & Sons, Inc., New York, NY, 2007
  • Burnham, K. P.; Anderson, D. R. (2002), Model Selection and Multimodel Inference: A Practical Information-Theoretic Approach (2nd ed.), Springer-Verlag

Bild: Header Photo by Kaleidico on Unsplash

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